WIENER WAHNSINN

WIENER WAHNSINN

‚Gar ned so deppert‘ oder Weana Bluat is ka Häferlkaffee

Sonntag 20.15. TV. Tatort. Wien. Ein Fleischberg von einem Mann springt vom Balkon aus dem Erdgeschoss, flüchtet und läuft dabei direkt Bibi Fellner und Moritz Eisner in die Hände. Die Kamera geht ganz nah ran und zwischen all den Tattoos prangt groß und deutlich, einer Halskrause gleich, der Schriftzug ‚Wiener Wahnsinn‘. ‚Ja, das ist der Max, ein Freund und Fan von uns‘, klärt schließlich Soberl auf, aber damit geben wir uns nicht einfach so zufrieden... Hier nun ein Erklärungsversuch:

Schauplatzwechsel. Wien 22. Aspern. Siegesplatz. Napoleon hat genau hier massiv eine am Zweispitz bekommen. Seither thront da ein steinerner Löwe und wenn in Aspern die Arbeiter anrücken und einen neuen Kanal graben, findet sich immer noch die eine oder andere Kanonenkugel in der Erde. Ans Hauptquartier des Korsen erinnert nur eine Stele samt kleiner Erinnerungstafel.

Wesentlich komoter geht’s da an der Adresse ‚Aspern, Siegesplatz Nummer 15‘ zu. Auch ein Hauptquartier, eines von dem aus der ‚Wiener Wahnsinn‘ seit bald 20 Jahren regelmäßig raus in die Stadt und ins Land zieht um dort klar und deutlich das Statement abzugeben, ‚dass Wiener Bluat ka Häferlkaffee ist‘, wie die Band sagt.

Soberl, Romeo, Chris, der Sheriff und Chrisu sind der ‚Wiener Wahnsinn‘. Allesamt Trans-Danubier, also über der Donau aufgewachsen. Den Steffl kann man von dort nur erahnen. Donaustadt heißt der Bezirk. Das Grätzel ist Aspern, Essling liegt gleich daneben. Heute Stadterweiterungsgebiet. Früher war hier Arbeiter-, Bauern- und Gemüseland. Die grüne Lunge der Stadt, die Lobau ist ums Eck. Kindergarten. Volksschule. Bolzplatz. Nicht weit davon entfernt lag der alte Militärflugplatz auf dem in den 60ern und 70ern Autorennen organisiert wurden. Niki Lauda und viele andere haben hier ihre ersten Erfolge eingefahren. Staub. Benzindunst und der Geruch von verbranntem Gummi. Das sind Kindheitserinnerungen der Marke ‚Frei geboren‘. Man kennt sich. Beim Wiener Wahnsinn war man zum Teil untereinander sogar verschwägert. Und die Tante Poldi hatte als Kindergartentante die undankbare Aufgabe die Buam zu disziplinieren. Die Vier und Romeo, der Junior: Ein Haufen Haberer. Zusammengeschweißt durch die Musik, den Rock’n’Roll-Wahnsinn und die Donaustadt. Dem Bezirk haben die fünf sogar ein eigenes Lied gewidmet. Es hat sich unter den Fans zur Hymne entwickelt. Die Herkunft, die Erlebnisse, die Freunde und die Fans... die gemeinsamen Wurzeln, das schweißt zusammen. Das ist der Boden aus dem autochthoner Wiener Rock die Zeit bekommt um wachsen zu dürfen.

Im ‚Hummel‘ hat alles angefangen. Mit dem Junior-Chef sind Wiener Wahnsinn aufgewachsen. Die ersten Band-Ideen wurden hier gewälzt. Heute ist nach jedem Auftritt das Hummel der Landeplatz. Zum runterkommen. Kaffeehausbänke wurden nicht selten zu harten Bretterbetten. Daheim im Hauptquartier. Das ‚Hummel‘ ist Wien pur. Keine Spur von Schicki Micki. Gentrifizierung findet woanders statt. Hier spricht der Rock’n’Roll wienerisch ohne Schönbrunner Nasallaute. Hier werden

die Dinge beim Namen genannt. Wolfgang Ambros hätte sein ‚Espresso‘ durchaus auch übers Hummel geschrieben haben können.

Ihr Hummel haben Wiener Wahnsinn sogar schon mit auf die Bühne genommen. Die Bar, die Babsi ,die dahinter steht und die Bier zapft, der Junior-Chef der die Spritzer bringt... Lebendiges Inventar. ‚Ist Familie‘, sagt die Band. Nachsatz: ‚Auch unsere Fans. Alles Haberer‘. Und Max, der mit der Halskrause? ‚Ja, auch er. Ein Schauspieler und ein Haberer und großer Fan von uns. Er spielt auch im Video mit‘. In welchem Video? ‚Deppert sein‘, sagt Soberl. Die erste Single aus dem neuen Album ‚Gar ned so deppert‘.

Gar ned so deppert – Das Album

12 Titel. Wiener Dialekt, so wie ihn nur Ur-Wiener draufhaben. Kaisermühlen, Kagran, alles über der Donau bis nach Aspern und Essling. Gewachsener Rock’n’Roll. Erzählte Geschichten. Eine komplett andere Welt als jene die in den inneren Gürtelbezirken gelebt wird. Austropop ist hier kein Wort bei dem man sich wegduckt sondern dazu steht. Die Lieder der großen fünf wie Ambros, Danzer, Fendrich, der O-Kurti und Peter Cornelius können sie hier im Schlaf auswendig singen. ‚Die Blume aus dem Gemeindebau‘ blüht hier schön wie einst im Mai.

Soberl, Romeo, Chris, der Sheriff und Chrisu haben in Aspern ihr Album eingespielt. Ein Glücksfall, dass der heimische Top-Producer Alexander Kahr sein neues Tonstudio exakt vis-a-vis vom Hummel eingerichtet hat. ‚Da hat man’s net weit‘, bringen die fünf diesen Volltreffer am Punkt.

Alle Tracks hat die Band selbst eingespielt. Handgemachte Musik. So wie auf der Bühne herrscht auch hier das Reinheitsgebot.

Mit ‚Deppert sein‘ geht’s rein in das neue Album. Es ist die Hymne der Selbsterkennung. ‚I bin voll dabei beim deppert sein...‘ Wiener Wahnsinn beleuchten unser aller dunkelsten Seiten der Seele. Quintessenz: ‚Den depperten gehört die Welt, weil uns kein Erfolgsdruck quält!‘ Wie wahr!

‚Stoiz‘ ist auf seine Art ein Band-biografisches Album. Es steht für das, wie sich die Band fühlt. Stolz darauf wie sie ihren Weg gegangen ist, sich nicht verbiegen lässt, nicht jeden Gig annimmt, der sich anbietet. ‚Hochzeiten spielen? Na, des passt net... Da pass ma net hin‘ und die Fans nehmen es zur Kenntnis.

‚So lang dei Herz schlogt‘ beginnt mit einer Aufnahme aus dem Brustraum. Das Herz schlägt und gibt der Mid-Tempo-Rocknummer den Takt vor.

‚Alles leiwand‘ Ja. So ist es. Oder so könnte es sein, wenn man den Mut hat den Hut drauf zu hauen. Alles liegen und stehen lassen und das machen was einem freut. Ein Mitgröhl-Titel. Ein Live-Burner!

‚Zwinker i dem Leben zua‘. Schon einmal im Hochsommer in der Wiener U-Bahn unterwegs gewesen? Nein, dann wird’s aber Zeit und ganz schnell wird dieses Lied zur Durchhalteparole! Voll aus dem Leben!

‚Wer i bin‘. Ein schön-dreckiges Blues-Intro und dann wird der Song breit. Wall of Sound und wieder retour. Es ist die Geschichte vom Hinterfragen und dem Finden einer Antwort: ‚So lang i bin wer i bin, wird’s net so schlimm‘.

‚Mei Partie und i‘. Eine Liebeserklärung an die Band, die Haberer. Die fünf, die miteinander auf der Bühne stehen und im Rock’n’Roll zum Kraftwerk wachsen. Die Band, die wie ein Katalysator wirkt und weit mehr als ein erfüllter Bubentraum ist.

‚Mehr als nur daham‘. Der Werkelmann setzt an und es folgt ein Lied für die Stadt, die Donaustadt, fürs Hummel. Eine Feuerzeugnummer. Großartig wienerisch und mit viel Emotion gesungen.

‚Rock’n’Roll‘. Der Titel ist Programm und selbsterklärend.
‚Lebensfeuer‘. Wenn’s im Kopf stürmt, die Wolken sich nicht verziehen möchten... Aufstehen,

weitergehen, die Vergangenheit hinter sich lassen und nach vorne schauen. Zünde dein Lebensfeuer!

‚Wir san wie mir san‘. Aspern. Das Aufwachsen. Von der Tante Poldi bis heute. Die Zeit rennt aber davonrennen gilt nicht. Eine astreine Rock-Ballade, schöne Gitarren, knackige Drums. Feuerzeuge raus!

‚I fliag‘. Mit einer großartigen Geschichte mit purer Rock’n’Roll-Wurschtigkeitsattitüde geht das Album in die Zielgerade. Live ist der Titel ein Kracher. Mitsingpflicht im Parkett!

‚Gar ned so deppert‘ ist nicht nur ein lupenreines, lange so nicht gehörtes wienerisches Rock’n’Roll- Album. Es ist ebenso die Quintessenz von rund 125 Auftritten im Jahr. Der Wiener Wahnsinn grassiert von Jahr zu Jahr immer heftiger. Das ist so, wenn eine Band weiß wo sie herkommt, nie auch nur versucht hat ihre Wurzeln zu verleugnen, sondern sie vielmehr pflegt. Warum auf London oder Seattle machen, wenn man doch aus dem 22. Hieb kommt? In 20 Jahren hat sich der Wiener Wahnsinn ein Fundament gegossen, das bombenfest hält. Family. Die Musiker. Die Fans. Die Roadies. Ois leiwand und wenn dann die Babsi im Hummel das Bier zapft, dann kann einem alles andere am A**** vorbeigehen.

‚Wir wollen wir bleiben‘, sagt die Band und macht vom eigenen Label (Kultband Records) bis zum Merchandising alles selbst. ‚Wiener Wahnsinn, das ist Freundschaft, gemeinsamer Blödsinn und eine wienerisch, nachdenkliche Eigenart. So ist unser Album. So sind wir‘. Sagt die Band und man kann einen drauf lassen, dass das ewig so bleibt, denn im Hummel, gibt’s gar keinen Häferlkaffee... So ein Gschloder, das würde schon die Babsi nie zulassen! Net am Siegesplatz im Hauptquartier da wo der Wiener Wahnsinn Methode ist!

Das Album „Gar ned so deppert“ erscheint am 16. März 2018 

www.wienerwahnsinn.at

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