WERNER BOOTE
Population Boom - ein Film von Werner Boote
„Gibt es zu viele Menschen auf der Erde?“ - Mit dieser Frage fuhr Regisseur Werner Boote im Oktober 2011 nach New York City, wo vom Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (United Nations Population Fund – UNFPA) verlautbart wurde, dass sieben Milliarden Menschen auf der Erde leben. In seinem Interview mit UNFPA-Exekutivdirektor Babatunde Osotimehin erfragt Werner Boote die Meinung und Sorge der Vereinten Nationen: niemand kann sagen , wie viele Menschen die Erde eigentlich verträgt, so der UN Vertreter. Und die UN ist deswegen besorgt, so Präsident Ban Ki Moon in seiner Rede.
Am Beginn seiner Recherchen in den USA findet Werner Boote heraus, dass der Medienmagnat und Großgrundbesitzer Ted Turner einer der führenden Verfechter der These ist, dass der Erde eine Überbevölkerung droht, ein Ansatz der bereits im 18. Jahrhundert vom britischen Ökonom Thomas Robert Malthus ausgelöst und seither immer wieder propagiert wurde. 1974 erklärte der damalige US-Außenminister Henry Kissinger die Bevölkerungsreduktion zur Priorität der US-Außenpolitik.
Nach dem sogenannten National Security Study Memorandum 200 sollte auf Wunsch der USA in dreizehn Ländern der Erde die Bevölkerung reduziert werden, unter anderem in Mexiko, der nächsten Station auf Werner Bootes Reise. Dort trifft Regisseur Boote den Rechtsanwalt Enrique Mendoza Morales, der Mexiko 1974 bei den Verhandlungen zur Reduktion der Bevölkerung vertrat. Im Interview analysiert Morales rückblickend, dass es damals auch darum ging, durch eine Reduktion der Bevölkerung in ganz bestimmten Ländern die Ausbreitung des Kommunismus einzudämmen. Seither ist die Kinderzahl pro Frau in Mexiko im Durchschnitt auf 2,1 gesunken, die „vorbildliche“ Zahl, bei der die Bevölkerung in Land stabil bleibt.
Peking, die Hauptstadt bevölkerungsreichsten Staates der Erde ist die nächste Station für Werner Boote. In Peking trifft er Hu Hongtao (Generaldirektor der Nationalen Kommission für Bevölkerung und Familienplanung) und Xie Zhenming (Stellvertretender Direktor des Chinesischen Bevölkerungs- und Entwicklungszentrums) und nimmt an der Hochzeit von Wang Wenjun (Redakteurin des chinesischen Staatsfernsehens) teil. Er fragt nach Chinas Ein- Kind-Politik, nach Wang Wenjuns Kinderwunsch, nach dem „Buben-Überschuss“. Und der politische Vertreter gibt zu: die Ein-Kind-Politik schwächt Familien und bringt in naher Zukunft das Problem der Überalterung mit sich.
Werner Boote reist weiter in das Land mit der zweitgrößten Bevölkerung der Erde, nach Indien. In Mumbai besucht er in einem Slum die Familie Khatoon. Hier herrscht das „We two and our two“-Konzept. Zwei Kinder pro Paar sind das politische Ziel, das mit Förderungen gesteuert wird, wie Aslam Shaikh (Abgeordneter des Bezirkes Malad) im Interview erläutert. Die nächste Station ist Nairobi in Kenia, wo Werner Boote auf bevölkerungsrelevante Entwicklungshilfe stößt, auf das Geschäft mit Verhütungsmitteln und auf Investitionen in Programme, die eine „Bevölkerungsreduktion Afrikas“ zum Ziel haben. Der Buchautor Ndirangu Mwaura vertritt im Interview mit Werner Boote die These, dass reiche Länder den Bevölkerungsanstieg in Entwicklungsländern fürchten, weil sie von Einwanderern und Einwanderinnen „überschwemmt“ werden könnten. Beim Besuch einer indischen Entbindungsstation trifft Regisseur Boote in Begleitung der Krankenschwester Freda Chesakit Enane, die ein Kind erwartet und von ihrer Lebensplanung erzählt.
Werner Bootes nächster Interviewpartner, Obadias Ndaba (GeschaÅNftsführer der afrikanischen Niederlassung der World Youth Alliance – WYA) führt sehr eindrucksvoll vor, dass Afrika eines der Länder mit der niedrigsten Bevölkerungsdichte ist: Die Staaten Afrikas haben kein Problem der Überbevölkerung. Obadias Ndaba ist überzeugt, dass die Geburtenreduktion in Afrika ein großes Risiko ist, dass eine Überalterung stattfinden wird, noch bevor sich die ökonomischeSituation verbessert hat. In einem Dorf in der Serengeti erfährt Werner Boote, dass die Anzahl von Frauen und Kindern eines Massai davon abhängt, wie viel Grund er besitzt. Aus diesem Grund, erklärt der Massai Francis Kamakia, wird er weniger Kinder in die Welt setzen, als sein Vater vor ihm.
Die nächste Reiseetappe führt Regisseur Boote in die Metropolregion Tokio. Dort leben heute rund 40 Millionen Menschen, die Geburtenrate sank kontinuierlich und liegt zur Zeit bei 1,3 Kinder pro Frau. Damit liegt Japan bei der Schrumpfung der Bevölkerungszahl weit vorne, gefolgt von 90 Ländern, in denen die Geburtenrate unter 2,1 gefallen ist. Wie in allen anderen Ländern konzentriert sich auch in Japan die Bevölkerung in Städten, was zum Beispiel zur Folge hat, dass Schulen auf dem Land geschlossen werden. Betsy Hartmann, die Direktorin des Bevölkerungs- und Entwicklungsprogramms am Hampshire College, die nächste Interviewpartnerin von Werner Boote erklärt, dass Familienplanung etwas ist, zu dem jeder Zugang haben soll. Sie stellt aber fest, dass die Überbevölkerungsdebatte gerade zu einem Zeitpunkt verstärkt aufkommt, an dem Menschen auf der ganzen Welt auf die Konzentration von Reichtum und das Chaos am Finanzmarkt reagieren. Ihrer Meinung nach gibt es drängendere Probleme als das Bevölkerungswachstum. Das gesamte System, in dem wir leben, muss überdacht werden, meint sie. Es sei auch nicht die Überbevölkerung in Entwicklungsländern für den Klimawandel verantwortlich, sondern das Produktions- und Konsumsystem des Westens. In Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, besucht Werner Boote Farida Akhter, eine bekannte Schauspielerin und die Geschäftsführerin der NGO UBINIG, in ihrem Institut zur Grundsatzforschung für eine alternative Entwicklungspolitik. Sie ist der Meinung, dass Reiche lernen müssen, weniger zu konsumieren.
Hier in Bangladesh endet die Reisespektakulär: in Tongi brechen fünf Millionen Muslime nach Ende des jährlichen Biswa-Ijtema-Treffen auf um mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu fahren. Werner Boote mischt sich unter die Menschenmenge und fährt am Dach eines überfüllten Zuges mit. Ein erhebendes Moment und ein Glücksgefühl in der Menge für Werner Boote: „Ich weiß, dass es nicht darauf ankommt wie viele wir sind, sondern wie wir miteinander umgehen.“